Ralph Benatzky - Der reichste Mann der Welt
Operette von Hans Müller(Buch) und Ralph Benatzky (Musik und Gesangstexte)
Uraufführung in Wien 1936
Erste Wiederaufführung im Eduard-Winterstein-Theater in Annaberg-Buchholz am 30. Oktober 2021
Neuinstrumentierung aus dem originalen Klavierauszug von Wolfgang Böhmer
Regie und Ausstattung: Christian von Götz
Musikalische Leitung: Jens Georg Bachmann
Choreographie: Leszek Kuligowski
Benatzky war nicht jüdisch, er verließ Deutschland, weil ihm das Regime des "Führers" (den er gern den "Baedeker" nannte) zuwider war. Am Deutschen Volkstheater in Wien kam im April 1936 seine Operette DER REICHSTE MANN DER WELT heraus. Die erfolgreiche Inszenierung sollte die einzige bleiben, erst jetzt stellte das Theater in Annaberg-Buchholz das Werk wieder auf den Prüfstand.
(Albrecht Gier in Operetta Research Center 7.Nov 21)
"Der Chanson- und Schlageraffine Benatzky komponierte eine prägnante Musik, die verschiedene Idiome der Zwischenkriegszeit nicht nebeneinander stellt, sondern listig ineinander wirkt. In einer Nummer verschmelzen "Carmen"-Zitat, Rakoczi-Marsch und moderner Rhythmik-Background, bis sie in eine typische Benatzky-Melodie mündet. Ein bisschen Berliner Gassenhauer, ein bisschen Wiener Stimmungslied und letztlich doch keins von beidem. Oder etwas mehr.
Dreizehn Musik sitzen vor dem neuen Generalmusikdirektor Jens Georg Bachmann im Graben. Wolfgang Böhmers Instrumentation ist pointiert, ohne Sentimentalität und pikant. Das Klavier untermalt so manche Dialogszene. Wichtig auch: Das Arrangement passt gut in die Überakustik des Hauses und vergröbert nicht einmal dann, wenn es - wie bei Benatzky öfter - eher prall als lyrisch kommt.
Auf beglückend hohem Niveau mischt Annaberg-Buchholz in der aktuellen Operetten-Renaissance kräftig mit."
(Roland H. Dippel, NMZ 1.Nov 2021)
Der Operetten-Frosch des Bayrischen Rundfunks geht an das Eduard-von Winterstein-Theater in Annaberg-Buchholz für "Der reichste Mann der Welt"
BR-Klassik gratuliert dem Eduard-Winterstein-Theater, dem Regieteam und allen Mitwirkenden zu großem Operettenmut in besonders schwierigen Theaterzeiten"
STECKBRIEF
Los gehts...
...mit einer Art Kasperl-Theater hinterm Brechtvorhang, in dem alle Figuren des Stücks eingeführt werden, begleitet von einem singenden Männerquartett. Sichtbar sind nur die Oberkörper und die weißgeschminkten Gesichter, skurrile Kostüme und ausgestellte Bewegungen. Das erinnert gleichermaßen an Vaudeville und Stummfilm wie an den Struwwelpeter und Herbert Fritsch - und trifft damit genau die richtige Stilmischung für Benatzkys ironisches "Stück mit Musik".
Ahaa-Effekt:
Als dann der Brechtvorhang fällt, rotiert die Drehbühne und wirbelt das Personal wild durcheinander. Dazu blinkt die Lichterkette! Die Bühne macht also etwas her und besteht aus einem kunterbunten Aufbau, der aussieht wie eine riesige Hutschachtel mit ganz vielen Türen. Und so geht es - Tür auf, Tür zu - in rasantem Komödientempo durch die Dutzendgeschichte von der durchgebrannten Braut, die vor der arrangierten Verlobung flieht und dann doch in den Armen des besagten Bräutigams landet. Doch wie schon Benatzky mit seinen klischeehaften Versatzstücken ironisch spielt, setzt die Inszenierung noch einen drauf und parodiert sie durch eine sehr körperbetonte, gestische Spielweise. Alle Figuren bewegen sich puppenhaft stilisiert in diesem abstrakten und doch sehr sinnlichen Bühnenbild, das von einem Lichtergalnz wie ein Heiligenschein gekränt wird. Brecht hätte seine Freude dran, Benatzky sowieso!.
Erstaunlich:
Wie in Annaberg Operette auf hohem Niveau gemacht wird: mit jungen Sängern, einem gestandenen Ensemble und einem kleinen Orchester, das in der eignes neu intrumentierten Fassung von Wolfgang Böhmer (die Partitur ist verschollen) seine solistischen Fähigkeiten zeigt und von Jens Georg Bachmann stilsicher und in engem Kontakt zum Bühnengeschehen geleitet wird. Mutig war nicht nur die Auswahl dieses längst vergessenen Stücks von 1936, sondern auch dessen Kontextualisierung, wenn am Ende daran erinnert wird, wie es den meisten Operettenkünslern im Dritten Reich erging. Und trotzdem siegt schließlich die Vitalität der Operette als Utopie eines noch immer einzulösenden Happy-Ends. (aus der Begründung der Preisverleihung)
So sieht ein Operettenfrosch aus.