DIE WANZE - Operette nach Wladimir Majakowski von Peter Lund (Buch) und Wolfgang Böhmer (Musik)
"Kein Zweifel: Majakowski pur ist kaum noch spielbar. Wenn man sich
dennoch für ihn entscheidet, muss man bearbeiten. Das hat Peter Lund von der Neuköllner Oper, der auch Regie führte, gründlich getan." (Neues Deutschland 1.10.1999)
"Lund und sein Komponist Wolfgang Böhmer haben daraus eine musikalische Komödie gemacht, in der Iwan die Damen vor allem mittels seines hippiehaften Gitarrenspiels becirct. Gesang und Arrangement sind das Terrain, auf dem die beiden Verantwortlichen ihre aus der Neuköllner Oper gewohnten Höchstleistungen auch ins größere Gorki exportieren. Sie entdecken Majakowski als frühen Funny van Dannen: "Warum müssen sich die Klassen nur so hassen? Warum können sich die Klassen nicht mal an den Händen fassen?" Böhmers Wohlklänge, die nicht nur Schostakowitsch, sondern auch die Comedian Harmonists zitieren, inspieren Lund zu ironischen Revuehöhepunkten, in denen neben Seppeler vor allem Cathleen Gawlich und Thomas Schmid glänzen." (DIE WELT 1.10.1999)
In Ermangelung von Bildern oder Videos hier ein schönes Gedicht von Herrn Wladimir Majakowski:
MEINE UNIVERSITÄT
Französisch können Sie.
Dividieren.
Multiplizieren.
Gleichungen lösen.
Deklinieren gönnen Sie
sich, doch bekennen Sie:
können Sie in Hausfassaden lesen?
verstehn Sie den höheren Kram:
die Sprache der Tram?
Das menschliche Kücken,
kaum dem Ei entschlüpft,
greift nach Buchrücken,
nach dem Heft mit Ziffernschrift.
Ich aber lernte gassenfrech
das Alphabet von den Firmenschildern,
blätterte in einer Fibel aus Blech
mit eisernen Bildern.
Man lehrt uns – nicht verwildern:
die Erde meistern heißt,
daß man Haut und Haar
ihr vom Leibe reißt;
dabei ist sie bloß ein winziger Globus.
Ich aber
erlernte das Erdkunde-Opus
durch Knüffe und Püffe,
die mir die Hüften trafen:
nicht umsonst doch warfs mich
auf den Boden zum Schlafen.
Den Schulbuch-Historiographen
quälen Fragen brennender Art:
– „Hatte Barbarossa einen feuerroten Bart?“
Na, wennschon!
In verstaubtem Schwatz wühl ich mitnichten;
dafür kenn ich jede der heutigen Moskauer Geschichten.
Da kriegt man Dobroljubow zu fassen
und lernt so, das Böse zu hassen;
doch die Sippe wehrt mit breitmäuligem Greinen,
Papa und Mama wolln ihn durchaus verneinen.
Ich
konnte die Fettleibigen
von Kind auf nicht leiden.
Mußte selbst mich für ein Mittagessen verdingen und bescheiden.
Verdaun ihre Lektion, diese protzigen Quallen,
setzen sich hin –
um den Damen zu gefallen;
Zwerg-Ideen, blechern und irr,
hinter kupfernen Stirnen ein ärmlich Geklirr.
Ich aber
redete bloß mit den Häusern.
Nur die Pump-Anlagen noch waren meine Partner.
Mit Dachluken-Ohrmuscheln
hinhorchend nach lautem Geräusch und leiserm
Tuscheln,
schwiegen die Dächer und harrten:
womit ich ihnen ins Gehör würde platzen.
Hernach aber hatten sie endlos zu schwatzen –
worüber? über die Nacht
und übereinander.
Ihre Zunge, die Fahne,
wirbelte um die Wette mit dem Wetterhahne.
(Nachdichtung Hugo Huppert)