Orpheus in der Unterwelt

Orpheus aux Enfers – Die gedoppelte Doppelmoral

 

Der Orpheus ist natürlich eines von Offenbachs Schlachtschiffen, sein mit La Belle Helene schon zu Leibzeiten und bis heute meistgespieltes Werk. Wohl, weil es auf vielen Ebenen funktioniert: Als Parodie der Antike, als ironischer Spiegel der Musik Glucks und als beissende Satire auf die Doppelmoral in der grossen Politik (Jupiter, Pluto) wie auch auf dem kleinen Feld der Familie, der Ehe (Orpheus, Eurydike)

Der treibende Motor dieses Stücks ist die Figur der Öffentlichen Meinung – die Instanz für Moral und Tugend, an der die Menschen und auch die Götter nicht vorbei können. Denn Menschen wie Götter lieben es gleichermassen, das Verbotene zu tun – wenn’s irgend geht, ohne daß der Ruf darunter leiden würde: „Tue, was ich sage – tue auf keinen Fall, was ich tue!“ Das ist die Maxime Jupiters, des lustbetonte Götterchefs, der dummerweise die Regierungsgeschäfte und die Verantwortung in den Händen hält (das klingt schwer nach Helmut Kohl, der bundesrepublikanischen Sparfassung Jupiters...)

Es wimmelt von Aspekten allgemeiner Doppelmoral: Da ist die real existierende Ehe zwischen dem musikalischen Erbsenzähler Orpheus, der scharf ist auf den knackigen Po der Nachbarin, und Eurydike, die ihren Mann einfach nur verachtet als miserablen Komponisten und ebenso miserablen Bettgenossen. Diese heuchlerische Bürgersfrau ist in zitternder Erwartung, zu höherer Lust und Liebe erlöst zu werden...

Diesen Job übernimmt Pluto: Er entführt sie in seine Unterwelt als Liebessklavin (das nennt man heute „Zwangsprostitution“). Doch mit Pluto wird es Eurydike schnell so langweilig wie schon mit ihrem Mann Orpheus. (Wenn die Generalaktion ihrer Rückführung schliesslich scheitert, ist Eurydike am Ziel ihrer Wünsche: Sie wird Dienerin im Tempel der Venus – eine öffentliche Hure...)

Leiter dieser Generalaktion (er tritt nur unter Widerstand in Aktion, wird von der Öffentlichen Meinung gewzungen) ist Jupiter. Überhaupt – die Götter! Sie stehen unter Drogen, allesamt: Oben im Olymp verschafft ihnen Ambrosia die ewige Jugend, unten im Hades die Lethe das ewige Vergessen. Auf die Dauer sehr langweilig, es fehlt der human factor, das Blutige, das Zwingende der Lust durch deren Endlichkeit.

Die Herrschaft der Öffentlichen Meinung  ist eine Diktatur. Unsere bundesdeutsche Demokratie ist eine solche Diktatur. Wer traut sich schon, kurzerhand „Nein“ zu sagen und sich den Ruf und die Karriere ruinieren zu lassen?

Mitreissend in ihrem ständigen Wechsel zwischen antikisierender Idylle und krasser Parodie die Musik: Offenbach voll auf der Höhe!

 

Textbeispiele:

No.4: Anrufung des Todes (Chanson d’ Eurydice)


Eurydice:

1. Komm Tod, willst du zum Freund mir werden

ich freue mich, bei dir zu sein

so lächelnd leicht ist es, zu sterben

führ’ mich in deine Welt hinein

in deine Welt, führ’ mich in deine Welt!

 

2. Komm Tod, ich fühl’ mich wie betrunken

hab jede Angst vor die verlor’n

mein altes Leben ist versunken

doch fühl’ ich mich wie neugebor’n

wie neugebor’n, ich fühl mich wie neugebor’n!

 

(Einschub 1874) No. 13: Air des Pluto


Pluto:

(gesprochen)

Wie er mich anschaut! Ahnt er vielleicht etwas?

Ich werde sein Misstrauen zerstreuen, ihm schmeicheln!

Ich werde seine Einrichtung über den Klee loben

(rhythmisch)

Ah! Diese prickelnd frische Athmosphäre

Jeder Atemzug belebt und hebt die Sinne

Alles leicht und ohne Schwere

Hier im Reiche 

(gesungen)des Olymp!

 

Rezitativ

 

Olympier, glücklich ihr seid!

Wandelt hier oben im Lichte

Im ewiglich blauen Azur!

Doch ich bin auf ewig verdammt

Regiere ein düster dumpfes Land

Die Hölle genannt:

Mein Königreich!

 

Hier wehen nur heitere Lüfte

Exotischer Düfte

Ein Hauch Lavendel und Jsamin und Rosmarin

Und von Nektar und Ambrosia!

 

Allegro

 

Und man hört die Vögel sich liebevoll streiten

Voller Liebeslust,

mit der Leier Apollo die Sappho begleiten

Sie singt ein Lied aus zarter Brust

 

Hier spieln die Nymphen

Und die neun Musen

Die Grazien, die Grazien,

sie tanzen mit leichtem Schritt

tripp trapp, tripp trapp, tripp trapp

der ganze Olymp tanzt mit

tanzt mit in leichtem Schritt

 

Lind wehn im Wind die Haare

Leise im Kreise

drehn die Paare

Zur himmlischen Weise

Im Maienmondenschein!

 

Und man hört die Vögel sich liebevoll streiten

Voller Liebeslust

Mit der Leier Apollo die Sapho begleiten

Sie singt aus zarter Brust!

 

Hier liegt was leichtes in der Luft

Ein ganz besonders süsser Duft

Es riecht nach Liebe und Lust

Es riecht nach Frühlingsduft

Riecht wie Tag und wie Nacht

Es riecht wie Morgenluft

Es riecht nach Himmelblau

Es riecht nach Heu, nach Frau

Es riecht nach Nymphen

In Strapsen und Strümpfen

Nach Musen und Busen

Das ist der Himmel!!!!

 

 

Höllengalopp (Can-Can)


Chor:

Und hopp! Hier kommt der Galopp

Sehr individuell

So tanzt man in der Hölle

Infernalisch schnell!

Und hopp! Das ist der Galopp

Das Tempo kriminell

So tanzt man in der Hölle

höllisch schnell! (Wdh)

 

Lalalalalalala....