La Sorella Amante

LA SORELLA AMANTE - von Johann Adolf Hasse (1729). Opera rasante. Neuköllner Oper, Berlin 2000

Neue deutsche Fassung nach dem Libretto von Bernardo Saddumene von Wolfgang Böhmer

 

„Am Ende des Hasse-Jahres die große Überraschung: Hasse kann auch Spaß machen. Die Neuköllner Oper hat mit sicherer Hand die einzige komische Oper Hasses aufgespürt und damit das Bild des höfischsten aller Komponisten korrigiert. (...) Die Partitur immerhin hatte Hasse mit nach Dresden genommen, wo das Autograph in der Bibliothek schlummerte. Nassmacher hat sie für ein nicht zu kleines Ensemble ausschließlich aus Saiteninstrumenten eingerichtet, aus dem er ein unglaubliches Spektrum an Farben, Melodik, Harmonik und - Swing herauslockt. (...)“ Bernd Feuchtner/Opernwelt


 


Lilia Milek als traurige "sorella amante"


 



Unter dem Aspekt der Gattung betrachtet ist La Sorella Amante eine Commedia per musica und als solche eine der wenigen Vertreterinnen dieser frühen, speziell neapolitanischen Spielart der italienischen Opera buffa im 18.Jahrhundert: Man schrieb abendfüllendes Volkstheater für das ortsansässige Publikum, ohne darauf zu schielen, daß man diese Art Oper noch an anderen Orten aufführen konnte. Alle prominenten neapolitanischen Komponisten (A.Scarlatti, Leo, Vinci und eben Hasse) komponierten in den 1720er Jahren solche Commedie per musica. Das Vergnügen des Publikums bestand – neben dem an der zeitgenössischen, damaligen „Pop“-Musik) hauptsächlich darin, daß man den Leuten, die man kurz zuvor noch auf der Strasse getroffen und über deren breiten Dialekt man sich amüsiert hatte, auf der Bühne wiederbegegnen konnte.


Für uns Bearbeiter war es eine nur vorübergehende Versuchung, dem neapolitanischen Dialekt ein heutiges deutsches Äquivalent entgegenzusetzen. Stattdessen haben wir versucht, ein feines „Umgangssprachliches“ Netz über das ganze Stück zu ziehen. „Modernisieren“ musste man dieses Stück hingegen kaum: Lelio, Cassandra, Gianferrante und all die anderen sind nämlich – im Gegensatz zu vielen Opernfiguren des 18,Jahrhunderts vor dem auch darin bahnbrechenden Mozart – uns Individuen am Ende des 20.Jahrhunderts darin so unheimlich verwandt, daß sie genauso unzulänglich, egoistisch und schwach sind, wie wir selbst es uns ungern aber immer wieder eingestehen müssen.

La Sorella Amante könnte man in dieser Linie auch als das bittere Fazit eines Pessimisten lesen:  Die Hölle, das sind die anderen...

Aber alles wird mit einem Lächeln serviert: Hasses überaus gelungene Musik steht im Dienste des Theaters, sie ist vital und charakterisiert jede Figur (bis in die Ton- und Taktarten) auf das Peinlichste genau. (Schade, daß der Dresdner Hof den „padre della musica“ von Neapel weggekauft hat!)


Die NEUKÖLLNER OPER hat einmal als ihr ästhetische Credo formuliert, daß zwischen dem „normalen“ Leben und dem Geschehen auf ihrer Bühne keine Kluft entstehen sollte: Es scheint, daß sie in Hasse einen Komplizen aus Neapel gefunden hat.

(aus dem Programmheft der NEUKÖLLNER OPER, Berlin 2000)

 


So sieht eine Seite der Originalhandschrift aus. Sie liegt in Dresden im Archiv. Aus ihr hat Robert Nassmacher die Partitur erstellt.